Wie wir von fünfzehn Minuten Meditation täglich profitieren können

Verena Wilmes
3 min readOct 2, 2021
Photo by Luis Villasmil on Unsplash

Meditation? Das ist nichts für mich.

Wir atmen und sitzen den ganzen Tag, was soll das bringen? Und wie genau sollen wir aufhören zu denken?

Das sind die ersten Gedanken, die uns kommen, wenn wir von Meditation hören. Es klingt nach Selbsthilfe, die überhaupt nicht sexy ist. Nach Ergebnissen, die nicht sichtbar sein werden, für uns und unser Umfeld. Nach etwas, das wir nicht brauchen.

Wir perfektionieren gerne alles an unseren Körpern. Unsere Frisuren, die wir immer wieder neu stylen. Unsere Haut, die wir waschen und sonnen, cremen und straffen und Kosmetikbehandlungen unterziehen. Wir optimieren unsere Ernährung, trainieren unsere Muskeln, damit wir fit und gesund bleiben oder zumindest so aussehen. Wir regenerieren in Saunen oder Kältekammern, wir wollen unseren Körpern und Organen etwas zurückgeben und freuen uns, wenn unser gutes Aussehen unserem Umfeld auffällt.

Unserem Gehirn gegenüber sind wir allerdings weniger großzügig. In der Regel sind die einzigen Gefallen, die wir unserem Gehirn tun, die unzähligen Bildschirme um uns herum abzuschalten und zu schlafen. Und da wir Bildschirme meist zur Erholung nutzen und glauben, an Schlaf sparen zu können, vernachlässigen wir sogar das. Aber auch unsere Gehirne können und sollten optimiert und versorgt werden — aktiv durch uns. So kann unser Gehirn so gestählt werden, wie der Rest unseres Körpers im Fitnessstudio.

Und das geht durch Meditation.

Die positiven Veränderungen, die Meditation im Gehirn bewirkt, sind hinlänglich beschrieben. So demonstrierte der Psychologe Richard Davidson von der University of Wisconsin-Madison bereits 2007, dass ein dreimonatiges Training die Aufmerksamkeit schärft. Sara Lazar vom Massachusetts General Hospital in Boston und der Harvard Universität belegte, dass sich Meditationstraining in der Morphologie des Gehirns niederlegt. So lässt Meditation den Mandelkern, die Amygdala, schrumpfen, die unter anderen unsere Angst steuert. Möglicherweise könnte Meditation auch die alters­bedingte Atrophie in bestimmten Hirnarealen bremsen. Des Weiteren reduziert Meditation Stress, Depressionen, Ängste und Schmerzen und verbessert somit die Lebensqualität.

Auch das ist möglich, da Meditation die neuronale Plastizität in Arealen der sensorischen, kognitiven und emotionalen Verarbeitung fördert: so wurden höhere Kortexdicken gemessen im präfrontalen Kortex und Dichtezunahmen der grauen Substanz im Hippocampus gefunden. Während der präfrontale Kortex u. a. als zentrale Exekutivstelle und für das Gedächtnis eine Rolle spielt, ist der Hippo­campus für Lernen, Gedächtnis und emotionale Regulation wichtig. Und das Beste ist, dass diese Veränderungen bereits nach 8-wöchiger Achtsamkeits- Meditation auftreten können.

Fünfzehn Minuten Meditation am Tag können dementsprechend genau das sein, was wir zwischen Stress, Hektik, Arbeits- und Informationslast brauchen, um mehr Abstand und andere Perspektiven zu gewinnen. Im Grunde könnte Meditation zusätzlich zu medikamentöser Behandlung im klinischen Alltag Anwendung finden.

So weit und so deutlich die Wissenschaft. Diese Belege lassen den Schluss zu, dass Meditation uns beruflich und privat besser machen kann. Wer von uns könnte nicht von einer besseren Aufmerksamkeit, sowohl beruflich als auch privat profitieren? Wem würde mehr Geduld und Ausgeglichenheit nicht guttun? Wie viele unsere Beziehungen könnten davon profitieren? Und wie dankbar könnten wir erst im Alter sein? Ein trainiertes Gehirn kann uns im Alter ebenso helfen, wie ein trainierter Körper.

Vielleicht müssten wir uns mehr bewusst machen, dass nichts an unserem Körper, kein Organ, unsere tägliche Performance, so beeinflusst wie unser Gehirn. Dazu muss man sich nicht mal mit Simone Biles, der US- amerikanischen Turnerin befassen, die jüngst wegen mentaler Probleme bei den olympischen Spielen aus den Wettkämpfen ging. Wir alle wissen, wie sehr unsere Arbeitsleistungen, unsere Beziehungen und deren Qualität von unserer mentalen Verfassung abhängig sind. Meditation kann unser Mitgefühl stärken, kann dafür sorgen, dass wir in all diesen Situationen, die uns schwierig erscheinen oder uns herausfordern, bewusster reagieren. Ist es wirklich so unsexy fünfzehn Minuten täglich unser Gehirn zu trainieren?

Natürlich entscheidet jeder für sich, sein Leben und seinen Körper und wer andere Wege gehen will, sollte das selbstverständlich tun. Wir sollten uns nur daran erinnern, dass unser Gehirn ein wichtiger Teil unseres Körpers ist, einer der trainierbar ist, wie unsere Ausdauer und Kraft. Und jede unserer Leistungen hängt von unserer mentalen Stärke ab.

Wieso vernachlässigen wir dieses Potenzial?

--

--