Wer die Wahl hat, hat die Qual

Verena Wilmes
3 min readNov 13, 2021
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Wir leben in einer Welt voller Optionen. Voller Optionen unser Leben zu gestalten. Optionen, die Entscheidungen von uns fordern. Und das beginnt schon früh am Morgen, wenn wir vor der vollautomatischen Kaffeemaschine stehen.

Cappuccino, Latte Macchiato, Espresso? Oder doch einfach nur Kaffee? Meistens haben wir Lust auf alles und wer will schon ein so modernes Gerät, um dann immer dasselbe zu trinken? Wir müssen doch auch mal was anderes probieren!

Der Griff zum Handy ist für uns so normal geworden, wir tun es so unbewusst wie Auto fahren. Und es bietet uns so viele Optionen. Auf unsere Interessen maßgeschneiderte Artikel aus dem Internet, Apps, um potenzielle Dates zu finden, so viele, das uns schwindlig werden kann. Apps, um auf dem Laufenden zu bleiben, Börsenapps, Meditationsapps, Sportapps, die unsere Schritte zählen und Kalorien messen. Wir haben Apps für alles und davon mehrere. Und dann gibt es ja auch die sozialen Medien, die so viele Optionen bieten unsere Zeit zu verschwenden.

Und zu guter Letzt, nach einem Tag voller Entscheidungen dürfen wir abends noch die Ent­scheidung treffen, welche Serie wir sehen. Wir können ja nicht immer dasselbe sehen. Aber wie sollen wir wissen, was wir sehen wollen? Die spannendere Serie, die Fantasy-Serie, die lustige Serie oder die, die wir schon mal gesehen haben? Wie sollen wir uns für eine Sache entscheiden, wo wir doch so viele Optionen haben, die vielleicht besser passen würden?

Das ist nur eine Auswahl der Optionen, die uns unsere moderne Welt in unserer Freizeit bietet. Eine ähnliche Fülle an Optionen er­wartet uns im Berufsleben, bei Stromtarifen oder beim Buchen einer Reise. Wie sollen wir sicher sein, das Beste ausgewählt zu haben? Woher sollen wir wissen, wie wir uns entscheiden sollen, wenn eine andere Entscheidung genauso verlockend klingt?

Wir wissen es nicht.

Und es scheint, als wäre das eine Ursache für unseren unruhigen Geist, unser hektisches Leben. Natürlich sollten wir in erster Linie dankbar dafür sein, in einer Welt voller Möglichkeiten zur Gestaltung unseres Lebens zu existieren. Aber hin und wieder sollten wir uns daran erinnern, dass wir auch die Option haben, etwas zu „verpassen“ und unser Leben gerade deshalb angenehm vereinfachen können. Insbesondere dann, wenn die Wahl zur Qual wird und uns die unendlichen Entscheidungsmöglichkeiten umzingeln.

Diese Erkenntnis ist nicht neu, wird doch mittlerweile viel von Smartphone und internetlosen Urlauben ge­sprochen. Einer Art des Urlaubs, die viele Optionen und Entscheidungen eliminiert. Wir haben längst erkannt, welchen Stress wir uns in unserer vernetzten Wohlstandswelt aussetzen. Aber wie können wir das auch in unseren Alltag integrieren, dafür sorgen, dass die unzähligen Möglichkeiten uns nicht unter Dauerstress setzen und unserem Geist die Ruhe nehmen, mit unserer Auswahl zufrieden zu sein? Wie schaffen wir es, dass uns die unzähligen Optionen nicht die Fähigkeit nehmen uns auf eine Sache zu konzentrieren? Woher sollen wir wissen, was wir brauchen?

Es fängt mit uns an.

Genauer gesagt mit unserer Priorisierung. Wir können uns von jeder Option ablenken lassen, die daherkommt, um unseren Abend zu gestalten oder wir widmen unsere Zeit den Dingen, die in Einklang mit unseren Langzeitzielen stehen. Wir müssen wissen, was wir genießen wollen, was uns interessiert und ob ein Abend, an dem wir uns verleiten lassen, es wert ist.

Es ist nichts falsch daran Neues auszuprobieren, aber wir sollten Gewohnheiten kultivieren, denn Gewohnheiten geben uns Rhythmus und nehmen uns viele Optionen, viele Entscheidungsmöglichkeiten ab. Allein ein fester Arbeitsbeginn am Morgen kann entscheiden wann unser Tag beginnt oder endet und dementsprechend unsere Abendplanung erleichtern. Wir brauchen Gewohnheiten, um auf etwas hinarbeiten zu können und erlauben und ermöglichen uns so erst Erfolg, in welchem Bereich auch immer.

Es ist toll, Optionen zu haben, in einer Welt zu leben, die so vieles ermöglicht. Aber das heißt nicht, dass wir jeder Option hinterher hecheln müssen. Ganz im Gegenteil.

Die wichtigste Option ist immer noch ein “Nein”, zu allem, was unser Leben unnötig rastloser macht.

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