Warum wir uns manchmal neu erfinden sollten

Verena Wilmes
3 min readMar 20, 2021
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Manchmal wollen wir uns neu erfinden. Ganz besonders am 1. Januar eines neuen Jahres, in dem alles besser werden soll.

Manchmal müssen wir uns neu erfinden, weil wir merken, dass wir so auf unserem Weg nicht weiterkommen. Aber es fällt uns schwer, unsere Routinen aufzubrechen und Dinge zu verändern. Ganz besonders, wenn diese Veränderung einen Eingriff in unsere Prozesse bedeutet. Wenn wir in einen Prozess eingreifen, verändert sich das Ergebnis. Das gilt für Wurftechniken, Sprung-und Schusstechniken. Es gilt für Trainings-und Arbeitsabläufe. Je nachdem wie umfassend die Veränderung ist und an welcher Stelle wir eingreifen, kann sich das resultierende Ergebnis gravierend verändern und wird meist, wenn die neuen Abläufe noch nicht reibungslos funktionieren oder weitere Veränderung im Prozess erfordern, schlechter als vorher.

Es kostet Zeit, Geduld und Vertrauen, sich neu zu erfinden und vor allem die Kunst, sich nicht entmutigen zu lassen. Wir erfinden uns meist erst dann neu, wenn wir wirklich keine andere Wahl mehr haben. Dann, wenn unsere Ergebnisse nur noch besser werden können. Dazu passt das Zitat von Winston Churchill: „Verschwende niemals eine gute Krise.“ Das vergangene Jahr 2020 war eine solche Krise, die in unendlich vielen Bereichen Mängel offenbart hat. Sei es im Gesundheitswesen, in unserer Denkweise, die Wirt­schaft über alles zu stellen oder in unserer Bequem­lichkeit den Status-quo nicht verändern zu wollen. 2020 hat es möglich gemacht, dass Biathlon Wettkämpfe, die sonst in mehreren verschiedenen Ländern stattfinden, in nur gut einer Hand voll Ländern ausgetragen werden. Etwas, was umweltbelastende Reisen verhindert, bis dato für eine Bekämpfung des Klimawandels unmöglich schien. Und das ist nur ein kleiner Punkt auf der Liste der Dinge, die plötzlich möglich waren. Homeoffice und damit weniger Verkehr, kaum Flug- und Dienstreisen und damit verbundene Umwelt­belastung, keine Böller an Sylvester. Würden wir die Klimakrise als so akute Bedrohung wie die Coronapandemie betrachten, wäre sie vielleicht schon gelöst. Aber auch so, hat uns das Jahr 2020 eine riesige Chance gegeben, genau das zu tun. Und auch all die anderen Mängel anzupassen, die durch das Virus offenbart wurden. Letztes Jahr hatten wir keine andere Wahl als weniger oder gar nicht zu reisen, von zu Hause zu arbeiten. Der Status Quo ist bereits verändert. Welche diese Veränderungen können wir beibehalten und optimieren?

Wie können gebeutelte Branchen und Industrien die Gunst der Stunde nutzen und längst überfällige Veränderungen und An­passungen vornehmen, wie Gehaltsobergrenzen? Wie kann man das Gesundheitswesen finanziell und personell langfristig stärken? Der härteste Teil ist geschafft, der Status Quo zerrissen, die Ergebnisse können nur besser werden. Jetzt ist der Zeitpunkt Prozesse zu optimieren, damit wir in einer besseren, gerechteren und umweltfreundlicheren Welt leben.

Stattdessen kommt von überall her nur der entmutigende Wunsch, er solle alles wieder so werden wie früher.

Dabei könnte es endlich besser werden.

Wir sind es gewohnt, uns alles auf dieser Welt zu unterwerfen aber es gibt Dinge, die werden immer mächtiger sein als wir. Das war schon immer so und unsere evolutionsbiologisch größte Stärke, unsere Anpassungsfähigkeit, hat uns alles überleben lassen. Wir können adaptieren und so alles besser machen als vorher. Und genau deshalb sollten wir nicht zu bequem werden, um genau diese Fähigkeit auszuleben. Ihr verdanken wir unseren Platz an der Spitze der Evolution. Mehr als einmal mussten wir uns neu erfinden. Das können wir diesmal auch. Es kommt uns nicht immer gelegen, es ist unbe­quem und schwierig, macht uns Angst und es ist nicht garantiert, wohin uns diese Neuerfindung führt. Doch Neuerfindung heißt Wachstum und hat dieser Wunsch erst einmal wirklich von uns Besitz ergriffen, ist er kaum abzuschütteln. Es ist menschlich uns neu zu erfinden und es ist nötig. Vor allem aber können wir es.

Wir wurden dafür geboren.

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