Innere Stimme: Freund oder Feind?

Verena Wilmes
3 min readJul 10, 2021

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Photo by Colin Lloyd on Unsplash

Es gibt Momente im Leben, da müssen wir eine Entscheidung treffen, die alles verändert, was wir bisher kennen. Es gibt Momente, in denen wir auf unsere bisher größte Herausforderung treffen oder uns in unbekanntem Terrain bewegen, unsicher, wie weit wir gehen können. Momente, in denen uns das Leben alles abverlangt uns mit Unsicherheit konfrontiert. Eine Situation, die unser Gehirn verabscheut.

Wir alle haben unterschiedliche Herangehensweisen an diese Augenblicke. Manche bevorzugen Pro- und Kontra- Listen, penible Planung, Ratschläge von allen Seiten. Andere scheinen sich weniger Gedanken zu machen, nicht zu versuchen alle möglichen Szen­arien durchzugehen um auf alles vorbereitet zu sein. Es scheint fast, als würden sie sich auf etwas nicht Greifbares verlassen. Zur Entscheidungs­findung gibt es unzählige Studien und Theorien. Da ist zum Beispiel Patient Elliot, der nach der Entfernung eines Gehirn-Tumors nicht mehr in der Lage war, Entscheidungen zu treffen. Sogar solch simple Entscheidungen, wie die Wahl des Autoradiosenders. Durch die Entfernung des Tumors hatte er die Fähigkeit verloren Emotionen zu spüren — etwas das ihn unfähig machte, Entscheidungen zu treffen. Doch natürlich treffen wir nicht nur Entscheidungen über unsere Emotionen, wir brauchen auch unseren Verstand, neigen dazu uns für das Vertraute oder vertraut scheinende zu entscheiden.

Die Studien darüber, was unsere Entscheidungen beeinflusst sind vielfältig. Genauso vielfältig wie unsere Arten Ent­scheidungen zu treffen, sind auch unsere Ansätze, schwierige und herausfordernde Situationen im Allgemeinen anzugehen. Dabei spielt vor allem unsere innere Stimme, mit der wir alle auf unsere Art mit uns selbst sprechen, eine Rolle. Jeder Läufer kennt es. In dem Moment, wo das Laufen herausfordernd wird, die Lungen brennen und die Beine schmerzen, ist da diese Stimme, die uns entweder sagt, dass es reicht, das wir aufhören können, dass wir am Ende sind und es nicht mehr bis ins Ziel schaffen werden, oder sie sagt uns, dass wir nur einen Schritt vor den anderen setzen müssen, dass wir das schaffen und schon ganz anderes geschafft haben. Sie hebt unser Selbstvertrauen, unser Selbst­wertgefühl oder zerstört es.

Sie ist entweder unser größter Feind oder unser bester Freund. Bei jeder Entscheidung, in jeder schwierigen, un­bekannten und herausfordernden Situation. Und dabei kommt es vor allem darauf an, wie sie mit uns spricht.

Die Psycholinguistin Anke Werani der LMU München, Deutschland hat das in einer Studie untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es zwei unterschiedliche Typen und deren Ton der Problemlösung gibt; die Pragmatiker und die Zweifler. Während die Pragmatiker gut und viel mit sich sprechen und eine Problemlösung zielstrebig angehen, merken die Zweifler bereits erst später, dass ein Problem vorliegt, sind in der Lösung nicht so schnell und richten gegen sich selbst häufiger demotivierende Äußerungen. Sie sagen sich im Innern eher: Das wird nichts, ich kann das nicht. Es ist zu schwer, ich finde keine Lösung. Dementsprechend legen sie sich selbst Steine in den Weg. Und das wiederum, macht die Art wie wir mit uns sprechen so wichtig. Techniken wie Autosuggestion, Meditation und progressive Muskelentspannung ebenfalls auf Positivität auf. Nun mögen einige sagen, dass eine positive innere Stimme noch längst nicht alle Probleme löst und wir alle schon einmal negative Erfahrungen trotz gutem Zureden gemacht haben. Das mag sein und dennoch wird eine positive innere Stimme uns nach Lösungen suchen lassen, uns wieder aufbauen und unser Selbstwertgefühl steigern. Etwas, das uns auch bei schwierigen Ent­scheidungen hilft und uns in herausfordernden Situationen Vertrauen in uns selbst gilt. Darüber hinaus würden wir wohl niemand anderen, die Erlaubnis geben, so negativ mit uns zu reden. Wieso also geben wir sie uns selbst?

Die Antwort auf die Frage, woher unsere innere Stimme kommt, lautet laut Anke Werani: Von außen. Von unserem Umfeld. Es spielt also eine Rolle, ob wir gute, positiv-konstruktive Dialoge führen, ganz besonders mit unseren Kindern. Wie sich diese innere Stimme im Laufe unseres Lebens verändert, wird gegenwärtig untersucht.

Allerdings dürfte unser gesamtes Umfeld, Freunde, Partner und Eltern einen maßgeblichen Einfluss auf unsere innere Stimme haben. Wir sollten also aufpassen, was wir konsumieren, welche Ansichten und Stimmungen über uns wir zulassen. Denn diese innere Stimme kann unser bester Freund oder unser größter Feind in den Entscheidungen und Herausforder­ungen unseres Lebens sein. Es liegt an uns.

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