Das Gift Bequemlichkeit
Die Erdachse besitzt eine natürliche Neigung von ca 23°. Aber im Grunde ist die Welt aus dem Gleichgewicht geraten. Die einen haben alles und leben im Überfluss, während die anderen nichts haben oder nicht viel mehr als ihr Leben. Und dennoch kriegt die Gesellschaft im Überfluss den Hals nicht voll. Es kann nicht genug Bequemlichkeit geben.
Wir sind schon zu dick, zu gestresst und zu unzufrieden von unserer ständigen Erreichbarkeit und den Ablenkungen, sitzen zu viel und bewegen uns zu wenig und dennoch können wir nicht genug von Dingen kriegen, die unseren in den meisten Fällen verhätschelten Alltag noch einfacher machen.
Wir wollen Diäten, die uns das Abnehmen so angenehm wie möglich gestalten, ohne Hungern, ohne Sport. Wir brauchen vibrierende Gürtel, die uns das Fett wegwackeln, anstatt dass wir uns ein bisschen quälen. Wir nehmen lieber den Elektroroller, als zehn Minuten zu Fuß zu gehen und lassen ihn dann irgendwo stehen, weil irgendjemand unseren Dreck schon wegräumt. Alles andere wäre zu unbequem und zu viel verlangt. Wir sind so gestresst von unseren Handys, dass viele digital detox einlegen müssen und trotzdem holen wir uns Apps, die uns auffordern uns zu bewegen, unsere Schritte und Kalorien zählen und uns sogar beim Einschlafen helfen. Wir bauen Küchengeräte, die uns das Kochen erleichtern und verschnellern sollen und jeder Händler punktet mit Onlineshopping und dem Versprechen besonders schnell zu liefern, denn was uns außer unserer Bequemlichkeit antreibt, ist der Konsum und die SOFORTIGE Befriedigung unserer Bedürfnisse. Sogar das Warten in der Schlange an der Kasse, ist zu einer Probe für unsere Gemüter geworden, für die Geduld ein Fremdwort ist.
Es gibt sicherlich einige Errungenschaften, die unser Leben erleichtert und verbessert haben und die wir nicht mehr missen wollen. Aber muss uns denn wirklich jeder Schritt und jeder Handgriff abgenommen werden? Können wir unsere Meinung nur noch durch Vergleichsportale und Werbekekse bilden? Wollen wir wirklich verlernen auch mal den harten Weg zu gehen?
Vielleicht besteht ja ein Zusammenhang zwischen unserer modernen Bequemlichkeit und der Neigung sich schnell gestresst zu fühlen. Heutzutage scheint das Ziel viel zu oft zu sein, mit möglichst wenig Aufwand möglichst weit zu kommen. Am besten in eine Reality-Show ins Fernsehen. Nur scheinen die wenigsten im Kopf zu haben, dass die Dinge im Leben, die von Dauer sind, Einsatz und Geduld erfordern. Einen großen Titel im Sport zu gewinnen, sich in die Geschichtsbücher einzutragen, etwas zu erreichen, das bleibt und Wert hat, erfordert etwas anderes als Bequemlichkeit. Das Leben verlangt mehr von uns als die bequeme Ein-Klick-Lösung, wenn wir mehr vom Leben wollen. Sich das Leben in gewissen Punkten zu erleichtern, hat uns zu den Königen der Evolution gemacht, aber wie immer liegt das Gift in der Dosis.
Wir haben zu viel Bequemlichkeit und vielleicht sollten wir uns das nächste Mal fragen, wenn wir wieder eine Werbung sehen, die uns zu modernen Zombies machen will:
Brauchen wir das wirklich?